Grundkurs Gitarre Woche 1 – vom richtigen Greifen

Nachdem du nun Tabulaturen lesen kannst und weißt, wie man eine Gitarre hält, kommen wir zum nächsten wichtigen Aspekt: Dem richtigen Greifen der Saiten.

Hinweis: Diese Lektion ist für den Anfang sehr umfangreich und zeitaufwendig! Du wirst es wahrscheinlich schwer haben, gleich alles auf einmal umzusetzen, deshalb verteile die Inhalte gern auf zwei Tage. Lies dir am ersten Tag alles durch und mache nur die Übungen zum Greifen von einzelnen Saiten. Am zweiten Tag machst du dann die Übungen zu den Akkorden und am dritten Tag steigst du voll ein ins Übungsprogramm.

die Greifhand

Bei diesem Kursteil dreht sich alles um die Greifhand. Unser Ziel ist es, alle einzelnen Saiten und Griffe möglichst bequem und mit wenig Kraftaufwand greifen zu können. Eine möglichst natürliche Haltung macht deine Finger dabei viel flexibler und verhindert unnötige Verkrampfungen. Man möchte ja nicht schon nach dem ersten Lied k.o. sein. Fangen wir am besten mit einer kleinen Vorübung an:

Das Erspüren der Andruckstärke

Die ausgewogene Andruckstärke ist beim Greifen von Saiten das A und O. Greifst du zu leicht, dann klingt der Ton nicht. Greifst du zu fest, dann fällt dir der Wechsel auf einen anderen Bund zu schwer. Du bezahlst das dann mit dem Verlust von Geschwindigkeit beim Spielen – und du bezahlst das mit Schmerzen in den Fingerspitzen und im Handgelenk. Grund genug, das Greifen von Anfang an richtig zu üben! Die Qualität eines gegriffenen Tons hängt maßgeblich von drei Faktoren ab:

  1. Position des greifenden Fingers im jeweiligen Bund – sie muss nah am Bundstäbchen des darauf folgenden Bundes sein (aber nicht auf dem Bundstäbchen!)
    Nimm das hintere Drittel des jeweiligen Bundes als grobe Orientierung zum Platzieren des greifenden Fingers.
  2. Position des Daumens – Er soll hinter dem Griffbrett etwa mittig bis leicht nach Oben hin versetzt den Gegendruck für den greifenden Finger erzeugen.
  3. Andruckstärke – sie muss gerade hoch genug sein, um den Ton sauber erklingen zu lassen.

Übung 1

  • Begib dich in deine bevorzugte Gitarrenhaltung.
  • Greife mit dem Zeigefinger die hohe E-Saite im 5. Bund nah am Bundstäbchen des 6. Bundes. Drücke die Saite nur sehr leicht herunter. Die anderen Finger schweben so nah wie möglich über der Saite, ohne diese zu berühren.
  • Setze den Daumen hinter deinen Griff und erspüre seine bequemste Position.
  • Halte die Positionen von Daumen und greifendem Finger, drücke die Saite etwas fester herunter und zupfe sie mit mit dem Daumen der Spielhand an und lasse die Saite schwingen.
  • Lausche dem Ton! Erklingt er sauber, dumpf oder überhaupt nicht?
    überhaupt nicht: Erhöhe leicht den Druck deines greifenden Fingers und wiederhole den Anschlag.
    dumpf: Verändere leicht die Position des greifenden Fingers und wiederhole den Anschlag. Wenn das nichts bringt, erhöhe leicht den Druck.
    sauber: Prima! Verringere leicht den Druck deines greifenden Fingers und wiederhole den Anschlag. Wiederhole diesen Teil so lange, bis der Ton nicht mehr gut klingt und gehe dann mit dem Druck wieder leicht nach oben. Präge dir ein Gefühl für diesen Griff ein!

Übung 2

  • Wiederhole die Übung 1 mit dem Mittel-, Ring- und dem kleinen Finger (Finger 2 bis 4)!
  • Fingersatz: Finger 2: 6. Bund, Finger 3: 7. Bund, Finger 4: 8. Bund.
  • Beachte die Position des Daumens! Höre in dich hinein und korrigiere gegebenenfalls die Daumenposition so, das der Griff sich bequem anfühlt.
  • Spiele diese Übung mit zwei Wiederholungen!

Schon jetzt wirst du merken, dass besonders dein Ring- und dein kleiner Finger zunächst nicht so leicht mitmachen wollen. Das ist völlig normal – die meisten Menschen sind es nicht gewohnt, mit diesen Fingern Kraft auszuüben. Wir werden diesem Manko später mit geeigneten Übungen zu Leibe rücken.

Die Übungen 1 und 2 werden dich in den kommenden zwei Wochen bei deiner täglichen Übungsroutine begleiten! Übe sie immer als Erstes vor allen weiteren Übungen!

Übung 3

  • Wiederhole die Übung 2 auch mit anderen Anfangsbünden. Diese Übung ist wichtig, weil die Größe der einzelnen Bünde, vom Sattel zum Steg hin betrachtet, immer weiter abnimmt. Um ein Gefühl für das Griffbrett zu entwickeln, muss dein Muskelgedächtnis dahingehend trainiert werden, diese Unterschiede wahrzunehmen und zu verinnerlichen.
  • Achte auch hier wieder auf die Daumenposition und korrigiere sie gegebenenfalls.
  • Spiele zunächst den Ablauf der Übung 2.
  • Setze die Übung im 4. Bund mit den Bünden 4, 5, 6 und 7 fort.
  • Setze die Übung danach, beginnend im 3. Bund, mit den Bünden 3, 4, 5 und 6 fort.
  • Verfolge dieses Schema, bis du im 1. Bund angekommen bist.
  • Spiele diese Übung mit zwei Wiederholungen!
  • Nimm dir Zeit für diese Übung und schludere nicht!
Übung 3 - Grundkurs Gitarre

Übung 3

Wenn du die Übung 3 flüssig spielen willst, musst du beim Wechsel zwischen den einzelnen Positionen darauf achten, die Finger der Greifhand bei noch liegendem kleinen Finger zu spreizten, um mit dem Zeigefinger in die nächste Position zu gelangen. Das wird dir am Anfang nicht leicht fallen – versuche es trotzdem! Wir werden später noch weitere Übungen machen, um die Reichweite und Kraft deiner Finger zu verbessern.

Übung 3b

  • Spiele die Übung 3, beginnend ab Woche 2, auch auf allen weiteren Saiten. Nimm sie fest in deinen Übungsplan für die folgenden 2 Wochen auf und spiele sie alle zwei Tage auf einer anderen Saite.
  • Achte auch hier wieder auf die Position deines Daumens und korrigiere, wenn nötig.
  • Spiele diese Übung mit zwei Wiederholungen!

Theoretisches zum Greifen von Akkorden

Die Lage des Daumens
Beim Spielen von Akkorden stößt man als Einsteiger mit der klassischen Daumen-Griffhaltung schnell an seine Grenzen. Deutlich entspannter geht es so: Der Daumen liegt bei den einfachen Akkord-Griffen in der ersten Lage in der Regel über dem zweiten Bund, etwa auf der eingezeichneten Höhe. Er ist bei den einfachen Akkorden fast immer genau gegenüber vom Mittelfinger. Praktisch bedeutet dies, dass dein Daumen in der ersten Zeit immer hinter dem zweiten Bund ist. Dadurch ist es bei Griffen, die über drei Bünde gehen, leichter, den ersten Finger im ersten Bund, den zweiten Finger im zweiten Bund und den dritten Finger in den dritten Bund zu bekommen. Liegt der Daumen zu weit in Richtung Kopf, dann kommt man mit dem Ringfinger und dem kleinen Finger nicht mehr so leicht in den 3. Bund. Ist man dagegen mit dem Daumen zu weit in Richtung Schallloch, dann rutscht der Zeigefinger vom ersten Bund gerne in den zweiten hinein.

Die Lage des Daumens - Grundkurs Gitarre

Die linke Hand berührt das Griffbrett nur an zwei Punkten. Damit bleibt der Handteller beweglich. Die Hauptaufgabe des Daumens ist bei den einfachen Akkorden, die Hand am Herunterfallen zu hindern. Dieses mag im ersten Moment banal klingen, aber tatsächlich verwenden viele Einsteiger den Daumen wie eine Schraubzwinge, um einen Gegendruck zu den Fingern aufzubauen. Dieses klappt zwar, aber der Daumen ermüdet dann  schnell. Die Hand verkrampft sich und alles macht keinen Spaß mehr.Halszug - Grundkurs Gitarre

Die Lösung? Der Druck auf die Saiten wird nicht mit dem Daumen erzeugt, sondern durch den Zug des Armes der Greifhand – fast so, als wolltest du eine Schublade von unten öffnen!

Der Gegendruck wird durch den Ellbogen der Spielhand erzeugt, indem dieser die Gitarren ein wenig an deinen Körper andrückt und damit das Griffbrett nach vorne wegschiebt. Die Greifhand braucht nur das Griffbrett wieder zurückzuziehen, um genügend Kraft für die Akkorde zu haben.

Wichtig zu wissen: Beim Greifen von Akkorden, bei denen die unteren Saiten frei schwingen sollen ist es enorm wichtig, diese Saiten nicht mit dem Fleisch der Handinnenfläche zu berühren (sonst sind sie stumm!). Achte also immer darauf, dass noch genügend Raum bleibt – etwa so viel, wie wenn du einen Bleistift längsseits am unteren Griffbrettrand halten würdest.

Die ersten Akkorde

Genug der trockenen Materie – lass sie uns in die Praxis umsetzen! Wir wollen nun unsere ersten drei Akkorde kennenlernen: A-moll, E-moll und E-Dur.  Du erinnerst dich noch, wie man ein Akkorddiagramm liest? Gut,  fangen  wir an…

A-Moll:

  1. Die tiefe E-Saite wird nicht gespielt (X)
  2. Der Grundton liegt auf der leeren (O) A-Seite
  3. Greife mit dem Zeigefinger (1) die B-Saite im 1. Bund. Schlage die Saite an und prüfe, ob diese gut erklingt. Korrigiere ggf. Fingerposition und Andruckstärke.
  4. Greife mit dem Ringfinger (3) die G-Saite im 2. Bund. Schlage die Saite an und prüfe, ob diese gut erklingt. Korrigiere ggf. Fingerposition und Andruckstärke.
  5. Greife mit dem Mittelfinger (2) die D-Saite im 2. Bund. Schlage die Saite an und prüfe, ob diese gut erklingt. Korrigiere ggf. Fingerposition und Andruckstärke.
  6. die hohe E-Saite wird leer gespielt (O)
  7. Streiche nun mit dem Daumen, beginnend bei der A-Saite, langsam nach unten über alle Saiten. Höre genau hin! Schnarrt etwas? Welche Saiten klingen nicht?
  8. Korrigiere ggf. deinen Fingersatz und wiederhole Punkt 7.
  9. Übe den Griff, bis er sitzt.

E-Moll:

Um ins E-Moll zu gelangen, hebst du einfach den Zeigefinger weg von der Saite und die verbleibenden zwei Finger im gleichen Bund um eine Saite nach oben. Überprüfe alles so, wie du es bereits beim A-Moll gemacht hast! Schaue dir dazu das Akkorddiagramm zum E-Moll nochmal genau an: Welche Saiten sind mit welchem Finger gegriffen? Welche Saiten werden leer, welche nicht gespielt?

Von nun an sollst du dir jeden neuen Akkord auf diese Art und Weise einprägen!

E-Dur:

Das ist einfach! Setze deinen Zeigefinger in den 1. Bund der G-Saite und überprüfe auch diesen Akkord so, wie du es mit den anderen beiden Akkorden gemacht hast.

Ist dir etwas aufgefallen? Genau! Die Haltung der Finger ist bei den Akkorden A-Moll und E-Dur die Gleiche – lediglich auf anderen Saiten.

Übung 4

  • Höre dir zunächst das Klangbeispiel zur Übung an.
  • Greife Am, schlage den Akkord an, lasse ihn ausklingen und wechsle dann zum Em.
  • schlage den Akkord an, lasse ihn ausklingen und wechsle dann zum E.
  • Beginne die Übung von vorn und wiederhole sie noch zwei weitere Male.

Übung 5

Diesmal wollen wir den Akkord nicht sofort komplett greifen, sondern die entsprechenden Saiten der Reihe nach greifen!

  • Höre dir zunächst das Klangbeispiel zur Übung an.
  • Schlage die Saiten jeweils mit dem Daumen an und lasse sie ausklingen. Gehe dabei der Reihe nach von Oben nach Unten vor.
  • Setze den Finger der Greifhand gemäß des jeweiligen Akkorddiagramms in den in der Tabulatur notierten Bund der Saite, die gerade an der Reihe ist. Schlage sie an und lasse sie ausklingen. Lasse den Finger danach liegen.
  • Fahre mit der nächsten Saite fort.
  • Wenn ein Akkord wechselt, hebe alle Finger vorher von den Saiten und verfahre wie mit dem vorangegangenen Akkord.
  • Wiederhole die Übung drei mal.

Erstelle dir nun anhand der Angaben im Artikel einen Übungsplan für die 1. Woche. Fixiere ihn schriftlich, das hilft dir dabei, Übungsdisziplin zu halten, was dich wiederum schneller voran bringt.

Wenn du möchtest, kannst Du dir als registrierter Benutzer den fertig vorbereiteten Übungsplan für die 1. Woche auch zusammen mit den ausdruckbaren Tabulaturen der Übungen (PDF) kostenlos als Archiv herunterladen.

Herunterladen: woche01.zip (nur registrierte Benutzer, in neuem Browser-Fenster)

Häufige Fehler beim Greifen der Saiten

Fehler gehören zum Lernen dazu und aus Fehlern lernt man. Gerade am Anfang liegt beim Greifen ein Fehler oft darin, dass die Finger zwar genügend Druck ausüben, jedoch zu dicht oder zu weit weg vom Bund sind.

Wenn ein Finger zu weit weg vom Bundstäbchen ist, dann kann es gut sein, dass der Druck nicht ausreicht, um die Saite ganz auf den Bund herunterzudrücken. Die Saite liegt dann nicht richtig auf dem Bundstäbchen auf und schnarrt. Häufiger Grund für diesen Fehler: Der Daumen liegt zu weit in Richtung Steg und nicht mehr über dem zweiten Bund.

Die optimale Position ist kurz vor dem Bundstäbchen. Versuche also, die Finger im letzten Drittel des Bundes zu halten. Das wird dir nicht
immer gelingen, da du ja noch Platz für die anderen Finger brauchst (spätestens beim A-Dur-Akkord wirst du das merken…). Versuche trotzdem, so dicht wie möglich an die Bundstäbchen zu kommen. Der Ton muss dabei sauber klingen!

Natürlich darf man nicht zu dicht am Bundstäbchen sein, sonst drückt man aus Versehen die Saite schon auf das übernächste Bundstäbchen. Häufiger Grund für diesen Fehler: Der Daumen liegt nicht über dem zweiten, sondern eher im dritten Bund (siehe oben).

Auch wichtig: Saiten nicht abwürgen!
Setze die Finger deiner Greifhand, wo immer möglich und geboten, mit den Fingerspitzen bei leicht abgewinkeltem obersten Fingerglied auf. Ärgere dich aber nicht, wenn das nicht gleich alles auf Anhieb klappt. Bei den ersten Übungen darf es (wenn man keine wirklich groben Fehler macht) ruhig ein wenig daneben klingen, und da darf man am Anfang auch ruhig mal drüber hinweg hören. Erfahrungsgemäß verschwinden solche Fehler nach ein paar Stunden regelmäßigen Übens.

Zu guter Letzt: Unnötiges Abspreizen der Finger vermeiden
Versuchen, die Finger beim Akkordspiel immer so gut es geht gerade zu halten – halte die Finger beim Greifen möglichst geschlossen. Jedes unnötige Abspreizen der Finger führt nur zu Verkrampfungen, die sich vermeiden lassen. Du erreichst die meisten Positionen auf dem Griffbrett durch einfaches Strecken und Beugen der Finger.

Abschließend noch ein paar Worte zum Thema „Geduld und der eigene Perfektionsanspruch“: Selbstverständlich solltest du immer um die größtmögliche Perfektion bemüht sein – aber gerade beim Lernen muss man mit sich selbst auch mal Nachsicht haben können, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Es dauert eben seine Zeit, bis man ein Instrument beherrscht!

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